The Erasmus Experience

Es folgt ein kleiner Zahlenmarathon: Nach 10 Monaten (oder abzüglich der Weihnachtsferien in der Heimat 242 Tagen) in Turku, Finnland bin ich nun wieder zurück in Passau, Deutschland. Von meiner Zeit im Norden verbrachte ich je 4 Tage in Norwegen und Russland, 3 in Schweden sowie Estland, einen in Lettland und 39 Tage in Finnland außerhalb von Turku (13 Tage in Helsinki, 9 in Lappland, jeweils 5 in Seenfinnland und im Archipelago, 2 in Tampere, sowie je einen in Åland, Pori, Vaasa & Rauma), insgesamt also 53 Tage oder 22% meines Austauschjahres mit Reisen. Um gleichzeitig aber in den 2 Semestern mit 10 Universitätskursen im Wert von 60 ECTS einen Notendurchschnitt von 1,29 zu erzielen und beim Aufnehmen von 14.664 Fotos während 3.306.990 Schritten über 2.839 Kilometer 186.142 Kilokalorien abzubauen musste ich 171 Mal in der Universitätsmensa, 38 Mal bei meinem Lieblingsmexikaner sowie 17 Mal beim weltbesten Burgerladen essen um Kraft zu tanken.

Nun aber genug der Statistiken – unterm Strich geht es doch um die gesammelten Erfahrungen. Du bist, was Du erlebst. Und erlebt habe ich definitiv einiges während meiner Zeit als Erasmus-Student: Als Student in einem fremden Land fernab der Heimat wird man einfach aus dem gewohnten Alltag gerissen und animiert, die fremde Umgebung zu erkunden. Die Gemeinschaft an internationalen Studenten mit demselben Schicksal sowie die entsprechenden Angebote unterstützen einen dabei ungemein! Es ist schließlich irgendwie doch eine einmalige Gelegenheit, sich im Leben in einer anderen Gesellschaft zu integrieren und unbekannte Kulturen, Länder und Aktivitäten in einer Weise kennenzulernen wie es kein zweiwöchiger Urlaub jemals zulassen würde.

Ich war im Herbst in der eiskalten, nicht salzigen Ostsee schwimmen und im Winter auf ihr spazieren, war nach dem Saunieren in Norwegen zum Abkühlen im Nordpolarmeer, habe mein eigenes 50 cm tiefes Eisbade-Loch in den größten See Finnlands gebohrt und habe auf ihm liegend Sternschnuppen beobachtet, war auf einer Husky-Safari, bin in Lappland Schneemobil gefahren, habe in drei verschiedenen abgelegenen Cottages genächtigt, mehrfach Nordlichter bestaunt und Glühwein in einer Schneeburg getrunken. Ich habe auf einem Boot im Trollfjord bei Fischsuppe und Brot seltenen Adlern in atemberaubender Kulisse beim Jagen zugesehen, war auf gefrorenen Seen Langlaufen, Schlittschuhlaufen, in der Ostsee Kajak fahren, habe im Kino englische Filme mit sowohl finnischen als auch schwedischen Untertiteln gesehen und beim Roadtrip nach Lappland vier Nächte im Mietwagen geschlafen und bin mit ihm auf der finnischen Bundesstraße 140 statt erlaubten 80 km/h gefahren was in Finnland bei einer Strafe von 28 Tageseinheiten etwa einem halben Monatsgehalt entspräche. Ich bin über endlose, pfeilgerade Straßen durch unbewohnte Wälder in den Norden gefahren und haben dabei tiefenentspannte Elche und Rentiere den Weg kreuzen sehen, bin insgesamt 20 Mal mit der Fähre durch die Ostsee geschippert, habe aus der frisch aufgegossenen Sauna im 9. Deck der Fähre nach Stockholm aus der Glasfront über das Archipelago in der Abendsonne geblickt und mehrfach beim Buffet Tausende der Finnischen Inseln vorbeiziehen sehen, zahlreiche bezaubernde Städte in diversen Ländern besucht sowie erkundet und mir doch tatsächlich 1.300 km nördlich der Heimat einen ordentlichen Sonnenbrand organisiert.

Ganz nebenbei wurden in dieser Zeit Dutzende neue Freundschaften mit Studenten aus über die ganze Welt verteilten Ländern und vielen Finnen geschlossen, ich durfte an vielen Finnischen Veranstaltungen und Events der (dort deutlich stärker ausgeprägten und gesellschaftlich anerkannteren) Studentenkultur teilnehmen und war auf diversen Sitzpartys, dem Pikkulaskiainen, Boots-Cruises, KaupSu und dem Höhepunkt des studentischen Jahres, dem Vappu am Maifeiertag.

Kurzum, ich habe per Flugzeug, Schiff, Zug, Bus und Auto möglichst viel der 6 erwähnten, mir bisher fremden, Länder abgegrast, nebenbei fleissig studiert und die finnische Kultur sowie das Studentenleben aufgesaugt. Und da ein Bild bekanntlich mehr sagt als tausend Worte findest Du unten zur Veranschaulichung meines Auslandsjahres ein Fotoalbum mit über 80.000 Worten. Um ehrlich zu sein war die Entscheidung, für den Global IT Management Doppelmaster ein Jahr nach Finnland zu ziehen, recht spontan und unüberlegt. Umso mehr bin ich nun positiv überrascht und habe die potentiell beste Entscheidung meines Lebens zu keinem Zeitpunkt bereut da ich Finnland bereits sehr vermisse – im Gegenteil: Jeder europäische Student sollte während seines Studiums die einzigartige, prägende und wertvolle Möglichkeit eines Erasmus-Semesters wahrnehmen und selbst so unglaubliche und unvergessliche Erinnerungen wie ich sammeln: Wann, wenn nicht jetzt?

 

Turku Finnland

St. Petersburg

Unser 12 Tage langer Städtetrip in Nordost-Europa mit der Familie drohte komplett ins Wasser zu fallen und keine erholsame Auszeit vom Studienalltag zu werden: Mit Fährbooten quer durchs Baltische Meer reisen und in 4 Ländern 5 Städte abgrasen bei einer Wettervorhersage von Regen, Kälte, Schnee und Sturm über den kompletten Zeitraum für jedes einzelne Ziel. Doch bereits auf der ersten Station unserer Ostsee-Cruise, St. Petersburg, sollte sich zeigen, dass die Bedenken unbegründet waren.

Von 12. bis 16. April machten wir uns mit Timetravels und über 200 Austauschstudenten von Helsinki aus mit der M/S Princess Anastasia der St. Peter Line auf den Weg über die Ostsee nach St. Petersburg. Für die Einreise über den Seeweg aus Finnland gibt es eine Sonderregelung nach der man ohne ein Visum beantragen zu müssen Russland 72 Stunden lang besuchen darf. Dies haben wir uns zunutze gemacht um das Weltkulturerbe der nördlichsten Millionenstadt der Welt zu erkunden.

Zwischen zwei Nächten auf dem Schiff und drei Nächten in einem Hotel mitten in der Innenstadt war also genug Zeit um die wichtigsten Sehenswürdigkeiten des nordöstlichen Venedigs zu besuchen. Bei der Ankunft herrschte grausames Wetter bei starkem Schneefall und extremem Wind. Am nächsten Morgen jedoch war pünktlich zur Tour des Katharinenpalastes traumhaftes Wetter. Dies sollte auch die restlichen Tage anhalten – was bei jährlich 62 Sonnentagen durchaus außergewöhnlich ist!

Dementsprechend verbrachten wir eine großartige Zeit in der russischen Weltstadt und konnten unvergessliche Eindrücke von verschiedenen orthodoxen Kathedralen, der Peter & Paul Festung, des Hermitage-Museums samt einer Ballettvorstellung im Hermitage-Theater, einer U-Bahn-Tour und dem Stadtleben an Fluss und Meer sammeln. Die dritte, schneereiche Nacht hat diese Erfahrung nach den sonnigen Tagen schließlich eher bereichert als gestört. Trotz der sicherlich reserviert abweisenden Russen ist die Stadt als solche ungemein sehenswert und sollte definitiv auf jede Reiseliste aufgenommen werden!

St. Petersburg Russland