Campen im Norden

Norwegen. Seit meinem kurzen Ausflug dorthin während des Auslandsjahres in Finnland hat mich Norwegens Charme nicht mehr losgelassen. Damals hatte ich leider schlechtes Wetter und wollte schon immer zurück kommen für einen Zweitversuch. Nachdem ich zum Jubiläumsverlosung der Stadtgalerie in Passau einen 500€ Wohnmobilgutschein gewonnen hatte war schnell klar: Ich breche auf nach Norwegen.

Also miete ich mir einen kleinen Kastenwagen und plane zusammen mit einem Freund eine Rundreise von Niederbayern aus über Rostock mit der Fähre nach Dänemark, weiter über Stockholm an Schwedens Küste gen Norden um dort rüber nach Norwegen in die Lofoten zu fahren. Von dort soll es mit der Fähre zurück aufs Festland und die Küste entlang nach Oslo gehen bevor wir wieder heim fahren. Ein straffes Programm für 20 Tage: 7.234 Kilometer sollten wir schlussendlich mit dem Camper zurücklegen (und damit dessen Kilometerstand verdoppeln), plus etwa 350km auf Fähren – also mehr als 375km täglich.

Am ersten Tag hatten wir gleich ein große Etappe vor uns: 830 Kilometer galt es zurückzulegen – am folgenden Morgen um 9:00 legt die Fähre nach Dänemark ab. Also konnten wir zwei uns abwechselnd an unser fahrendes Hotel gewöhnen und übernachteten dann direkt am Hafen in Rostock. Dort trafen wir dann lustigerweise einen Rotel Tours Reisebus aus Passau, die gemeinsam mit uns überlegten. In Dänemark angekommen machten wir uns direkt auf den Weg auf einen Campingplatz in Kopenhagen und entspannten unterwegs noch ein wenig in der Sonne am Strand und wanderten an den Klippen von Lolland.

Nun verbrachten wir also Nächte 2 und 3 unserer Rundreise in Kopenhagen – wo auch der zuvorgenannte Passauer Reisebus wieder auf unserem Campingplatz auftauchte. Hier machten wir einen klassischen Städetrip da die Stadt für beide neu war: Eine Walking Tour zum Einstieg und dann noch je nach Interesse beide Little Mermaids, einen entspannten Spaziergang im Nyhavn, ein kurzer Abstecher nach Christiania, natürlich das ein oder andere Smørrebrod und leider viel zu viele Zimtschnecken in der Markthalle – Dänemark ist schließlich für seine Preisgünstigkeit bekannt.

Die folgenden vier Nächte verbrachten wir dann unterwegs nach Norden an Schwedens Ostküste irgendwo im nirgendwo. In Stockholm waren wir aufgrund vorheriger Aufenthalte nur ganz kurz, es sollte schnell nach Norwegen gehen. Auch hier genossen wir nochmals die Sonne am menschenleeren Sandstrand, gingen in Nationalparks wandern und schlenderten durch die skandinavische Altstadt von Luleå im schwedischen Lappland.

Nun hatten wir endlich den Polarkreis überfahren und machten uns auf den Weg nach Westen durch die passend benannte Ortschaft Riksgränsen nach Norwegen. Ab dort erinnerte das Wetter jedoch auch an den vergangenen Besuch in Norwegen: grau-dunkel, ungemütlich und windig. Allerdings ist es wohl nördlich des Polarkreises üblich, dass sich entgegenkommende Wohnmobilfahrer per Handzeichen freundlich grüßen. Und von diesen Begegnungen gab es hier deutlich mehr als mit anderen Fortbewegungsmitteln…

Wir hatten es also geschafft: Nach nur 7 Nächten hatten wir bereits einiges in Dänemark sowie Schweden gesehen und waren am Ziel meiner Traumreise auf den Lofoten angekommen. In der Hoffnung, weiter südlich sonnigeres Wetter anzutreffen haben wir dort dennoch nur zwei Tage verbracht und die beeindruckende Landschaft ausgiebig erkundet. Mit der Fähre ging es dann von Å i Lofoten zurück aufs Festland nach Bodø.

Von dort machten wir uns über den Kystriksveien mit mehreren Fähren und Straßen durch die Fjorde langsam auf den Weg nach Trondheim. Unterwegs gab es Elche zu bestaunen und eine kleine Flugstunde über den Gletschersee Svaritsvatnet. Trondheim erinnert mit den auf Holzstützen errichteten Häusern fast ein wenig an Venedig. Nach einem ausgiebigen Spaziergang ging es weiter zu den Riesen in Jotunheimen zum Wandern.

Wir fuhren mit dem Gjendebåt über den See nach Memurubu und machten uns auf den Weg zurück, 14km und 1200 Höhenmeter über den Besseggen, zurück zum Wohnmobil. Vor Höhenangst auf dem einen Kilometer langen und 250m hohen Grat wird ausdrücklich gewarnt! Und weil das noch nicht aufregend genug war zog zum Höhepunkt auf dem steilsten und anstrengendsten Abschnitt auch noch ein Gewitter auf. Wir sind ja Profis: Zeit für Nic Nacs – nein im Ernst, wir waren heilfroh als wir extrem durchgenässt aber immerhin heile zurück im Camper waren.

In Bergen angekommen genossen wir abends im Hafen am Fisketorget bei bezauberndem Ausblick eine frisch gefangene Fischplatte samt selbstgebrautem Bier. Auch den Ausblick über die Hafenstadt von oben haben wir uns zu Fuß verdient statt die Floibanen zu nehmen. Da aber nach wie vor kein besseres Wetter absehbar war ließen wir die Trolltunga sowie weitere Ziele im Südwesten Norwegens zu meinem großen Bedauern spontan aus. Stattdessen kürzten wir über die Autobahn direkt nach Oslo ab und konnten somit auf der Heimreise noch zusätzliche Ziele ansteuern. In Oslo gab sich dann tatsächlich auch endlich wieder die Sonne die Ehre und ermöglichte eine tolle Walking Tour und Spaziergänge durch diverse Skulpturenparks.

Zurück in Schweden begleitete uns das gute Wetter weiter nach Göteburg – aber auch das konnte der Stadt nicht helfen, wir fuhren direkt weiter nach Malmö. Dort war es dafür umso schöner also verbrachten wir hier noch einen zweiten Tag. Wir entspannten am Strand, spazierten durch die Altstadt und schreiben die verbleibenden Postkarten. Am Meereshorizont konnten wir dabei schon die nächsten Ziele erkennen: Über die beeindruckende Øresundsbron zurück nach Kopenhagen.

Dort konnten wir nicht widerstehen und mussten noch eine letzte Zimtschnecke bei Lauras Bakery in der Torvehallerne vernaschen. Damit neigte sich unser Abenteuerausflug nach mittlerweile 17 Übernachtungen im Camper dem Ende. Nach der Fährfahrt zurück nach Rostock machten wir zum Abschluss einen Tagesausflug nach Berlin bevor es zurück nach Bayern gehen sollte. Die Mobilität, Unabhängigkeit und Flexibilität machen so eine Reise zu einem ganz anderen Erlebnis. Es war daher sicherlich nicht der letzte Urlaub mit einem Wohnmobil. Und definitiv nicht der letzte in Norwegen.

Skandinavien

The Erasmus Experience

Es folgt ein kleiner Zahlenmarathon: Nach 10 Monaten (oder abzüglich der Weihnachtsferien in der Heimat 242 Tagen) in Turku, Finnland bin ich nun wieder zurück in Passau, Deutschland. Von meiner Zeit im Norden verbrachte ich je 4 Tage in Norwegen und Russland, 3 in Schweden sowie Estland, einen in Lettland und 39 Tage in Finnland außerhalb von Turku (13 Tage in Helsinki, 9 in Lappland, jeweils 5 in Seenfinnland und im Archipelago, 2 in Tampere, sowie je einen in Åland, Pori, Vaasa & Rauma), insgesamt also 53 Tage oder 22% meines Austauschjahres mit Reisen. Um gleichzeitig aber in den 2 Semestern mit 10 Universitätskursen im Wert von 60 ECTS einen Notendurchschnitt von 1,29 zu erzielen und beim Aufnehmen von 14.664 Fotos während 3.306.990 Schritten über 2.839 Kilometer 186.142 Kilokalorien abzubauen musste ich 171 Mal in der Universitätsmensa, 38 Mal bei meinem Lieblingsmexikaner sowie 17 Mal beim weltbesten Burgerladen essen um Kraft zu tanken.

Nun aber genug der Statistiken – unterm Strich geht es doch um die gesammelten Erfahrungen. Du bist, was Du erlebst. Und erlebt habe ich definitiv einiges während meiner Zeit als Erasmus-Student: Als Student in einem fremden Land fernab der Heimat wird man einfach aus dem gewohnten Alltag gerissen und animiert, die fremde Umgebung zu erkunden. Die Gemeinschaft an internationalen Studenten mit demselben Schicksal sowie die entsprechenden Angebote unterstützen einen dabei ungemein! Es ist schließlich irgendwie doch eine einmalige Gelegenheit, sich im Leben in einer anderen Gesellschaft zu integrieren und unbekannte Kulturen, Länder und Aktivitäten in einer Weise kennenzulernen wie es kein zweiwöchiger Urlaub jemals zulassen würde.

Ich war im Herbst in der eiskalten, nicht salzigen Ostsee schwimmen und im Winter auf ihr spazieren, war nach dem Saunieren in Norwegen zum Abkühlen im Nordpolarmeer, habe mein eigenes 50 cm tiefes Eisbade-Loch in den größten See Finnlands gebohrt und habe auf ihm liegend Sternschnuppen beobachtet, war auf einer Husky-Safari, bin in Lappland Schneemobil gefahren, habe in drei verschiedenen abgelegenen Cottages genächtigt, mehrfach Nordlichter bestaunt und Glühwein in einer Schneeburg getrunken. Ich habe auf einem Boot im Trollfjord bei Fischsuppe und Brot seltenen Adlern in atemberaubender Kulisse beim Jagen zugesehen, war auf gefrorenen Seen Langlaufen, Schlittschuhlaufen, in der Ostsee Kajak fahren, habe im Kino englische Filme mit sowohl finnischen als auch schwedischen Untertiteln gesehen und beim Roadtrip nach Lappland vier Nächte im Mietwagen geschlafen und bin mit ihm auf der finnischen Bundesstraße 140 statt erlaubten 80 km/h gefahren was in Finnland bei einer Strafe von 28 Tageseinheiten etwa einem halben Monatsgehalt entspräche. Ich bin über endlose, pfeilgerade Straßen durch unbewohnte Wälder in den Norden gefahren und haben dabei tiefenentspannte Elche und Rentiere den Weg kreuzen sehen, bin insgesamt 20 Mal mit der Fähre durch die Ostsee geschippert, habe aus der frisch aufgegossenen Sauna im 9. Deck der Fähre nach Stockholm aus der Glasfront über das Archipelago in der Abendsonne geblickt und mehrfach beim Buffet Tausende der Finnischen Inseln vorbeiziehen sehen, zahlreiche bezaubernde Städte in diversen Ländern besucht sowie erkundet und mir doch tatsächlich 1.300 km nördlich der Heimat einen ordentlichen Sonnenbrand organisiert.

Ganz nebenbei wurden in dieser Zeit Dutzende neue Freundschaften mit Studenten aus über die ganze Welt verteilten Ländern und vielen Finnen geschlossen, ich durfte an vielen Finnischen Veranstaltungen und Events der (dort deutlich stärker ausgeprägten und gesellschaftlich anerkannteren) Studentenkultur teilnehmen und war auf diversen Sitzpartys, dem Pikkulaskiainen, Boots-Cruises, KaupSu und dem Höhepunkt des studentischen Jahres, dem Vappu am Maifeiertag.

Kurzum, ich habe per Flugzeug, Schiff, Zug, Bus und Auto möglichst viel der 6 erwähnten, mir bisher fremden, Länder abgegrast, nebenbei fleissig studiert und die finnische Kultur sowie das Studentenleben aufgesaugt. Und da ein Bild bekanntlich mehr sagt als tausend Worte findest Du unten zur Veranschaulichung meines Auslandsjahres ein Fotoalbum mit über 80.000 Worten. Um ehrlich zu sein war die Entscheidung, für den Global IT Management Doppelmaster ein Jahr nach Finnland zu ziehen, recht spontan und unüberlegt. Umso mehr bin ich nun positiv überrascht und habe die potentiell beste Entscheidung meines Lebens zu keinem Zeitpunkt bereut da ich Finnland bereits sehr vermisse – im Gegenteil: Jeder europäische Student sollte während seines Studiums die einzigartige, prägende und wertvolle Möglichkeit eines Erasmus-Semesters wahrnehmen und selbst so unglaubliche und unvergessliche Erinnerungen wie ich sammeln: Wann, wenn nicht jetzt?

 

Turku Finnland